Der englische Begriff "Startup" beschreibt, so nachzulesen im Internet, eine kürzlich gegründete Firma, die sich in der ersten Phase des Lebenszyklus eines Unternehmens befindet. Der Begriff fiel gestern gleich mehrfach in einer Pressekonferenz im Rathaus, zu der Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz eingeladen hatte. Denn die Remscheider Wirtschaftsjunioren (Wijus) hatten eine Idee, die von anderen als zündend empfunden wurde: Wem die Stadt Remscheid am Herzen liege, der dürfe sich mit der Tatsache nicht länger abfinden, dass die Entwicklungschancen für junge Menschen mit innovativen Ideen (Gründer) hier deutlich geringer seien als in Solingen und Wuppertal. Beispielsweise ist das in der Startphase von Unternehmen oft so wichtige Startercenter NRW deren Unternehmensgründungs-Guide beantwortet u. a. die Fragen Wie entwickle ich eine gute Geschäftsidee? Welche Schritte muss ich bei dem Weg in die Selbstständigkeit beachten? Wie schreibe ich einen guten Businessplan? Welche Gründungs- und Unternehmensformen gibt es? in beiden Nachbarstädten vertreten, nicht aber in Remscheid.
Gero Hübenthal, Sprecher der Wijus, zählte gestern weitere Defizite auf: Keine Internetpräsenz für Gründer, kein Gründernetzwerk, Aufholbedarf in Sachen Digitalisierung (Industrie 4.0"), unzureichende Einbindung von Zukunftstechnologien (Innovationsdruck), keine oder nur ungenügende Möglichkeiten zur Beratung, Vernetzung oder beispielsweise Anmietung von günstigen Arbeitsplätzen (keine Gründungskultur"). Dementsprechend lasse auch der Gründernachwuchs selbst in Remscheid zahlenmäßig zu wünschen übrig. Zwei Gründer hatten die Wijus allerdings ins Rathaus mitgebracht: Simon Haase (Haasedesign, gegr. 2010) und Christoph Imber (Freizeitagentur 378meter.de, gegr. 2013). Und Hübenthal zählte zwei weitere auf: Beck-Up (2003) und Remscheider Bräu & mk|hotel (2014).
Dass es an Gründungsinteresse in Remscheid durchaus nicht mangelt, beweist seit einigen Jahren der von der Sparkasse aufgerufene Deutscher Gründerpreis für Remscheider Schüler. Viele Gründungsinteressierte scheinen die Stadt jedoch zu verlassen, weil die nötige Infrastruktur und Vernetzung nicht vorhanden sei, glauben die Wijus. Dass der Oberbürgermeister dieser Stadt ein großes Interesse daran hat, die potenziellen Gründer in Remscheid zu halten, braucht nicht weiter erläutert zu werden. Seinen Standpunkt Remscheid hat viel Potential! bekräftigte er auch gestern wieder. Und davon sind auch die heimischen Bänker überzeugt. Als ihnen die Wijus ihr neues Projekt Gründerschmiede vorstellten, waren sie sich mit der Bergische Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft (BSW) schnell einig: Da können sich nicht zuletzt im Blick auf künftige Starter-Darlehen - Sponsorengelder durchaus lohnen.
Inzwischen sind von der BSW und den vier heimischen Geldinstituten Stadtsparkasse Remscheid (gestern vertreten durch Markus Kollodzey),, Volksbank Remscheid-Solingen eG (Oliver Kaul), Deutsche Bank AG (Herbert Schultes und Marko Putzker) und Commerzbank AG (Michael Milanovic) knapp 20.000 Euro zusammengekommen, das Startkapital der Wijus für die Gründerschmiede. Dieser Projektname kommt nicht von ungefähr. Die Schmiede spielten in der bergischen Industriegeschichte eine bedeutende Rolle. Die Tradition des Schmiedens" und Tüftelns" soll mit der Gründerschmiede in die heutige Zeit übertragen werden, in der Technologie und vernetztes Denken die Arbeitswelt bestimmen. Und die Wijus möchten mit Sponsorenhilfe und gemeinsam mit jungen Gründern und der FGW e.V. (Geschäftsführer Dr. Peter Dültgen) möglichst viele neue Gründer schmieden, indem sie ihnen zu einem optimalen Start in die Selbständigkeit verhelfen. Mit Rat und Tat wollen daran von Seiten der städtischen Wirtschaftsförderung auch Robin Denstorff und Ingo Lückgen mitwirken (gestern mit am Tisch).
Das Gesamtkonzept der Gründerschmiede ist in drei Phasen unterteilt:
- In Phase 1 (2015) geht es um eine Homepage (www.gruenderschmiede-remscheid.de), vier abgetrennte Coworking-Arbeitsplätze in der ErlebBar" (Hindenburgstraße8) mit schnellem Internet, Geschäftsadresse, evtl. Sekretariatsservice/Telefondienst), Konferenz- und Seminarräume (Baran Dogan und Marc Rüger, mk hotel, Willy-Brandt-Platz) und eine LernLounge ((Beck-Up, Kölner Straße 102) sowie je einen Internetanschluss ebenda für Gründer, auf neudeutsch HotSpots genannt. Über die neue Webseite sollen sich die Gründer ein Netzwerk gründungserfahrener Institutionen und Ansprechpartner erschließen können, darunter auch die Berater der städtischen Wirtschaftsförderung. Die Interessenten müssen sich auf der Seite mit ihren Stärken und Ideen registrieren lassen. Über die Homepage sollen Workshops und Trainings angeboten und auch individuelle Treffen unkompliziert organisiert werden. Zugleich soll sie als Werbeplattform Einnahmen generieren. Im Focus steht ferner der Austausch von Ideen, Feedback und Erfahrungen der Gründer untereinander sowie das Zusammenbringen von Gründungswilligen und potentiellen Dazu und zur Abwicklung administrativer Aufgaben soll eine Teilzeitstelle geschaffen werden. Die Finanzierung der ersten Phase ist für das erste Jahr und zum Teil schon darüber hinaus durch die Unterstützung der vier Banken und der BSW gesichert.
- In Phase 2 (2016) Officecampus - soll ein Gründerzentrum in zentraler Lage (z.B. Alleestr.) initiiert werden, das Gründern zum Preis zwischen 80 und 300 Euro einen professionellen Arbeitsplatz mit der erforderlichen Infrastruktur (wie ErlebBar)) bietet. Dessen Räume sollen auch etablierte Bergische Unternehmen gegen Entgelt nutzen können. Die Wijus: Viele Kooperationen vom Entwickeln von Ideen über die Bearbeitung von Projekten bis zur Durchführung von Veranstaltungen sind möglich.
- In Phase 3 (2017) Forschungscampus will die Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe (Papenberger Straße 49) Gründern und anderen Interessierten an modernen Maschinen z.B. Fräsarbeiten oder 3D-Drucke ermöglichen zu Mietpreisen im Minutentakt. Von einer Labor-Fabrik zur Vermittlung praxisnaher Lehre für Hochschulstudenten ist die Rede (Werkzeugsystemtechnik als Studienvertiefungsrichtung) in Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal. Damit werde die Region als Innovationsstandort für Werkzeuge der Zukunft strategisch und soziologisch erneuert und nachhaltig gefestigt. Und weiter heißt es in den gestern verteilten Unterlagen: Der Forschungscampus Remscheid wird eine deutschlandweit einzigartige Verbindungsstelle zwischen der Werkzeugindustrie, dem Hochschulnachwuchs, der Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe und den Gründern in Remscheid. Die Unterstützung wird den bergischen Unternehmen verhelfen, Innovationsschübe durchzusetzen, um von den klassischen Werkzeugen hin zu Hightech-Werkzeugen nächste Evolutionsschritte zu beschreiten. Außerdem können durch die Anbindung an den Officecampus mit IT-Fokus Softwarelösungen für Werkzeuge und Maschinen entwickelt werden. Ziel ist insbesondere der Austausch zwischen Wissenschaft und angewandter Technik und Herstellung der dazu notwendigen Verfügbarkeit technischer Möglichkeiten.
Am Rande bemerkt:Vielleicht melde ich mich ja mal in der Gründungsschmiede. Hatte schließlich vor fast zehn Jahren die Idee eines digitalen Lokaljournalismus, durch dessen Werbeeinnahmen sich über eine Stiftung Gelder einsammeln ließen, um damit in Remscheid gemeinnützige Projekte fördern zu können. Das Startup wurde damals waterboelles.de getauft. Leider fielen aber die Werbeeinnahmen nicht wie erwartet an. Vielleicht wissen ja die 45 Experten der Remscheider Wirtschaftsjunioren jetzt guten Rat, die bald selbst mit einer Homepage Einnahmen erzielen möchten...