Im Vorfeld von Bauarbeiten zu drei neuen Stadtvillen (Wohnen im Park) an der Heinrich-Hertz-Straße war eine Rotbuche mit einem Stammumfang von 5,90 Metern laut Stadt illegal gefällt worden, einer der wertvollsten Bäume der Stadt, wie es am 11. Oktober in einer Pressemitteilung der Stadt Remscheid hieß. Der eklatante Verstoß gegen die örtliche Baumschutzsatzung hatte gestern ein politisches Nachspiel in der Bezirksvertretung (BV) Lennep. Es dürfte nicht das letzte gewesen sein. Denn wie der Waterbölles am 6. November vermutet hatte, dauert das schriftliche Anhörungsverfahren, das die Stadt eingeleitet hat, noch an. Und so konnte denn Rechtsdezernentin Barbara Reul-Nocke gestern die Frage der BV-Mitglieder, mit welchem Bußgeld im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu rechnen sei, noch nicht beantworten. Nur so viel: Der Verstoß könne maximal mit 50.000 Euro geahndet werden. Das hänge aber vom Wert des Baumes ab hier sei ein Gutachter eingeschaltet worden und von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verursachers. Wen man denn da ausgemacht habe, wollte Rolf Haumann von den Grünen wissen: Den Grundstücksbesitzer, den Investor oder die Baumfäll-Firma? Letztere!, war die klare Antwort der Dezernentin.
Das könnte für die Firma existenzbedrohend werden. Denn sollte der Bebauungsplan 633, auf dem das Wohnen im Park basiert, außer Kraft gesetzt werden, wären die Planungen des Investors über den Haufen geworfen. Und eine private Schadensersatzklage gegen die Baumfäll-Firma nicht ausgeschlossen! Derzeit noch eine Spekulation, gewiss. Genährt wurde sie gestern Abend allerdings durch Aussagen von Jörg Schubert, Leiter des städtischen Fachdienstes Bauen, Vermessung, Kataster. Zum Zeitpunkt der Baumfällung sei das Projekt zustimmungsfähig gewesen, sagte er. Ob das aber auch heute noch so sei, werde derzeit im Rathaus geprüft. Dabei bezog sich Schubert auf den Terminus der materiellen Planungsreife, konkret: Eine städtebauliche Zielsetzung des Bebauungsplans sei der Erhalt der Grünflächen, und dieses Ziel sei durch die Fällung der alten Buche und vier hoher Fichten derart beeinträchtigt, dass sich die Baubehörde die Frage stelle, ob der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan noch umsetzbar ist.
Zu den Anliegern, die das bezweifeln (und seit den illegalen Fällungen um den Wert ihrer angrenzenden Grundstücke fürchten) gehört auch Arno Schmitz: Das Grün wird im Bebauungsplan als erhaltens- und schützenswert bezeichnet. Und jetzt haben wir da statt eines Parks eine Steppe! Wann denn die Prüfung des B-Plans abgeschlossen sein werde, wollte er von Schubert wissen. Doch der zuckte mit den Achseln. Das sei noch nicht abzusehen, die Prüfung sei sehr komplex.
Geklärt ist bislang erst die Frage nach den Ersatzanpflanzungen. Die Baumschutzsatzung hätte in diesem Fall die Anpflanzung von zwanzig jungen Bäumen mit einem Stammumfang von je 20 Zentimetern vorgesehen. Gleichwertig seien aber auch die vom Verursacher und dem Investor vorgeschlagenen fünf Bäume mit einem Umfang von 55 Zentimetern und einer Höhe zwischen sieben und neun Metern bei einem Kronendurchmesser von drei bis vier Metern, so Frank Stiller von der Unteren Landschaftsbehörde. Dr. Heinz Dieter Rohrweck (CDU) konnte sich den Hinweis nicht verkneifen, dass 20 Zentimeter Umfang einem Durchmesser von sechs Zentimetern (wie eine kleine Wasserflasche) entsprechen, man also bestenfalls Bäumchen hätte erwarten können. Dem Vorschlag der fünf größeren Ersatzbäume widersprach er nicht, zumal Barbara Reul-Nocke versicherte, dass diese ersetzt werden müssten, sollten sie am neuen Standort nicht anwachsen, sondern eingehen.
Zahlreiche interessierte Bürger/innen waren zu der Sitzung erschienen. Auch an sie wandte sich Ursula Czylwik (SPD), als sie betonte: Wir fühlen uns hinters Licht geführt. Einen so großen Baum fällt niemand aus Versehen! Eine Meinung, die Bezirksbürgermeister Markus Kötter (CDU) teilte: Hier von einem Missverständnis zu sprechen, empfinde ich als reichlich unverschämt! Auf die Frage, ob es in der jüngsten Vergangenheit vergleichbare Fälle von Baumfrevel gegeben habe, fielen Frank Stiller gefällte Bäume an der Intzestraße und auf dem Hohenhagen ein. Dr. Heinz Dieter Rohrweck erinnerte sich allerdings noch an weitere Vorfälle an der Hackenberger Straße und Teichstraße sowie an der Rotdornallee. Und dabei seien als Strafe lediglich Portobeträge gezahlt worden.
Im konkreten Fall könne allerdings niemand aus den Baumfällungen einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen, betonten Rechtsdezernentin Barbara Reul-Nocke und Amtsleiter Jörg Schubert. Denn auf der jetzt freien Grünfläche dürfe nicht gebaut werden. Gleichwohl müsse die Verwaltung darauf achten, so Roland Kirchner (W.i.R.), dass durch Schaffung neuer Tatsachen ein Investor einen gültigen Bebauungsplan nicht zu seinen Gunsten verändern könne. Dem stimmte Reul-Nocke zu.
Von dem großen parkähnlichen Grundstück um die alte Mollsche Villa war das Gelände für das Wohnen im Park abgetrennt und verkauft worden. Für das verbliebene Grundstück mit der Villa suchte die Erbengemeinschaft um Gabi Wagner, wie sie gestern berichtete, in den vergangenen zwei Jahren vergeblich einen Käufer. Weil sich die Villa zwar entkernen und zu Eigentumswohnungen umbauen lasse, aber zu derart hohen Kosten, dass sich das nicht rechne. Deshalb sei gemeinsam mit der städtischen Wirtschaftsförderung die Idee eines gläsernen Anbaus mit weiterem Wohnraum neben Treppenhaus und Aufzug geboren worden. Dafür versuchte Gabi Wagner die BV-Mitglieder gestern zu erwärmen. Die aber reagierten zurückhaltend bis verwundert: Es sei doch nicht Aufgabe eines Stadtplaners, in die Rolle eines privaten Architekten zu schlüpfen. Ohne Beschluss der BV blieb allerdings die Forderung von Ursula Czylwik, die Verwaltung möge ihre Rolle bei dem Plan eines Anbaus konkreter beschreiben. Gerne hätte sie Stadtplaner Robin Denstorff persönlich gefragt. Doch der war gestern verhindert (stellte sich dem Rat der Stadt Münster zur Wahl als Baudezernent vor). Auf ihn verwies auch Amtsleiter Schubert, zeigte allerdings für die schwierige Kalkulation des Villenumbaus Verständnis. Der rechne sich nur durch zusätzliche Wohnfläche in einem Anbau. Roland Kirchner stimmte ihm zu. Ohne Anbau wird die Villa mit den Jahren vor die Hunde gehen. Wollen wir das?