Quantcast
Channel: Waterbölles - Wirtschaft
Viewing all articles
Browse latest Browse all 4843

Hilfloser Kampf mit Begriffen

$
0
0

Waterbölles-Kommentar

„Unternehmer üben Kritik am Staatsfunk“ heißt der Beitrag im heutigen rga, in dem über eine Mitgliederversammlung der CDU-Wirtschafts- und Mittelstandvereinigung berichtet wird. Die Versammlung mit sehr überschaubarer Teilnehmerzahl war der Zeitung einen satten Fünfspalter wert. Das lag am Thema und am Referenten. Denn es sprach rga-Verleger Michael Boll. Angeblich über die „Zukunft der Zeitung“. Mehr schien er sich aber mit der unliebsamen Konkurrenz auseinanderzusetzen – vor allem mit dem von ihm so titulierten „Staatsfunk“.

Den gibt es in Deutschland zum Glück seit 1945 nicht mehr, das sollte gerade Michael Boll wissen. Es gibt einen gesellschaftlich kontrollierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, verfassungsrechtlich geschützt überdies. Aber mit Kampfbegriffen wie „Staatsfunk“ lässt sich leichter Stimmung machen, wie die zitierten Reaktionen einiger Zuhörer belegen. Und wenn publizistisch ordentlich Stimmung gemacht wird, dann kann man auch irgendwann davon sprechen und schreiben, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „unter Druck“ gerät.

Und so lesen wir denn kein Wort über eigene verlegerische Fehler zu Beginn des digitalen Medienzeitalters, die die Zeitungskrise verschärft haben. Das hilflose Rezept der Verleger, so wurde es auch auf dem Jahreskongress ihres Bundesverbandes deutlich, scheint zu sein: Kratzen wir an der wirtschaftlichen Grundlage von ARD und ZDF, und unser eigenes Geschäft wird wieder wachsen. Bei allem Verständnis für die schwierige Lage der Zeitungen: ein Trugschluss! Denn die wirkliche Konkurrenz agiert inzwischen global, wie es auch der Vortragstitel nahelegt: „Von Gutenberg zu Zuckerberg“.

So dient dann der rga-Beitrag geradezu als Beleg dafür, warum es öffentlich-rechtliche Medien geben muss, die von der Allgemeinheit bezahlt werden und der Allgemeinheit verpflichtet sind. Und nicht – ganz nebenbei – den eigenen geschäftlichen Interessen, getreu dem alten Satz des Publizisten Paul Sethe: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten…“.

Andere reiche Leute scheinen das noch befördern zu wollen: „Schreiben Sie gegen die Steuereintreiber von ARD und ZDF an“, forderte Unternehmer Henner Blecher laut rga-Beitrag den Verleger auf. Ein wirklich bemerkenswertes Verständnis von unabhängiger Presse. Aber durchaus wirksam. Wie der Bericht selbst belegt.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 4843