
Wenn es nach den zur gestrigen Ratssitzung zahlreich
erschienen DOC-Gegnern und Kritikern gegangen wäre, hätte die
Einwohnerfragestunde den ganzen Abend dauern können. Damit Oberbürgermeisterin
Beate Wilding den Beschlussüber den Verkauf von rund 70.000 Quadratmetern an
den DOC-Investor/Betreiber McArthurGlen ins nächste Jahr hätte vertagen müssen?
Eine Unterstellung, gewiss. Aber sie hätte aus Sicht der besorgten Bürger,
zumeist Anlieger des Schützen- und Jahnplatzes und des Stadions, durchaus Sinn
gehabt. Denn diese hätten es gerne gesehen, wenn vor dem Grundsatzbeschluss zum
DOC (nebst Kaufvertrag) erst einmal über Verkehrs-, Lärm- und
Feinstaubgutachten hätte diskutiert werden können. Und die liegen bekanntlich
erst zu Beginn des neuen Jahres vor.
Dem aber stand die Hauptsatzung der Stadt entgegen. Sie beschränkt die Einwohnerfragestunde auf 60 Minuten. So eng sah das OB Wilding gestern zwar längst nicht in der aufgeheizten Stimmung blieb ihr auch nichts anderes übrig -, doch die Art, in der die Fragestunde ablaufen sollte (und musste) gab sie zu Beginn doch unmissverständlich an: Bitte keine langen Vorreden, sondern nur die Fragen! Das bekam als erster ausgerechnet Manfred Peter zu spüren, der sich auch auf diesen Auftritt so akribisch vorbereitet hatte, dass das aufgeschriebene Vorwort länger ausgefallen wäre als seine neun Fragen, drei davon an jedes einzelne Ratsmitglied gerichtet. Das aber unterband die Oberbürgermeisterin.
Die Beantwortung auch der übrigen gestern gestellten Fragen hätte
sich allzu lange hingezogen - Motto: Stunden später...! Doch darauf ließen sich
die Ratsfraktionen nicht ein. Entweder beantwortete der Fraktionsvorsitzende
oder ein Mitglied der Fraktion die Fragen. Das war auch bei den insgesamt 15,
teilweise recht ausführlichen und an alle Ratsmitglieder gerichteten Fragen der
Fall, mit denen sich Dr. Susanne Jakobeit, Bettina Stamm, Ulrike Kern, Brigitte
Kieslich und Ursel Schwinghammer zu Wort meldeten. (Der Waterbölles hat alle Fragen in einer pdf-Datei zusammengestellt.) Hier
einige dieser Fragen:
- Sind Sie als Ratsfrau / Ratsherr über das Für und Wider eines DOC in allen Einzelheiten oder nur pauschal (aus Gründen der Geheimhaltung / Vertrauensschutz) informiert worden? Sind Ihnen alle Zusagen, Versprechungen, Absprachen und Garantien gegenüber McArthurGlen vollständig und abschließend bekannt gemacht worden? (Manfred Peter)
- Die Differenz aus dem erzielbaren Kaufpreis und den bisher errechneten Kosten für die erforderlichen Verlagerungsmaßnahmen ist minimal. Erachten Sie trotzdem ein DOC-Projekt für die Stadt Remscheid für wirtschaftlich vernünftig und erforderlich? (Brigitte Kieslich)
- Wie ist nach Auffassung der Ratsfraktionen die geplante Errichtung eines 5-geschossigen Parkhauses mit einer Länge von über 300 Metern mit der geforderten Erhaltung des Ortsbildes des Stadtteils Lennep in baukultureller Hinsicht zu vereinbaren? (Ulrike Kern)
- Offizielle Entscheidungsgrundlage ist ein Dokument mit ca. 800 an Gutachten, Bodenanalysen etc. die für einen Laien nicht einfach zu bewerten sind. Sind oder waren alle Ratsmitglieder in der Lage diese Gutachten zu bewerten um diese Informationen mit in ihre Entscheidung einfließen zu lassen? (Bettina Stamm)
Zustimmung von Wieland Gühne (W.i.R.): In 15 Jahren
politischer Arbeit habe auch er ein gesundes Misstrauen gegenüber der
Verwaltung entwickelt. Etwas vorsichtiger äußerte sich Fritz Beinersdorf von
den Linken ("Negative
Auswirkungen auf örtlichen Handel und Umland!"): Er müsse von
vollständigen und richtigen Informationen der Verwaltung ausgehen. Aber nach
seiner Erfahrung hätten solche Infos nicht immer den erwarteten Bestand! - Es
klinge teilweise nach Geheimabsprachen, bemerkte zu den Bürgeranfragen der CDU-Fraktionsvorsitzende
Jochen Siegfried. Davon sei seiner Fraktion nichts bekannt. Sie hätten die Vorlagen
der Verwaltung in Arbeitskreisen eingehend durchgearbeitet und könnten nun guten
Gewissens entscheiden im öffentlichen Interesse und keiner
Einzelgruppierung! Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Peter Meinecke verwies
auf eine zweitägige Klausur seiner Fraktion; an der heutigen Grundsatzentscheidung
bestünden aus Sicht der SPD keine Zweifel mehr. Die in der Einwohnerfragestunde
vorgebrachten Einwände seien für diese Entscheidung nicht relevant. Das DOC
sei erforderlich und in höchstem Maße wünschenswert, kein Alptraum, sondern eine
einmalige Chance für Remscheid. Antwort von Fritz Beinersdorf vn den Linken: Ja,
die Bedenken der Bürger sind entscheidungsrelevant. Wir sagen Nein zum DOC. Der
Rat der Stadt handelt nicht in öffentlichem Interesse!
David Schichel (Foto rechts) betonte für die Grünen, auf Bedenken gegen das DOC werde im Abwägungsprozess des Bauleitverfahrens einzugehen sei; sie könnten beim Beschluss über den Kaufvertrag keine Rolle spielen. Dieser bleibe schwebend unwirksam bis dass der Bebauungsplan zum DOC rechtkräftig geworden wäre. Hans Peter Meinecke (SPD) bestätigte das (nicht zum ersten Mal): Fragen des Baurechts haben mit dem Grundstücksverkauf nichts zu tun; sie gehören ins Bauleitverfahren! Und dort seien sie dann sehr wichtig, so Jutta Velte von den Grünen. Dann werde man sich auch intensiv mit den Verkehrsströmen, mit Staub und Lärm beschäftigen, ergänzte OB Wilding. Und wenn die Grenzwerte dann nicht eingehalten werden können, ist das DOC gestorben! Davon geht sie allerdings nicht aus, daran ließ sie keinen Zweifel: In zehn Jahren wird Lennep brummen! Auch Beatrice Schlieper von den Grünen trat Bedenken aus der Einwohnerfragestunde entgegen, dann könne das DOC bereits zur Ruine verkümmert sein: Ja, das ist ein Risiko denn absolute Sicherheit gibt es nun einmal nicht -, aber ein sehr spekulatives! Jochen Siegfrieds Optimismus war da deutlicher zu spüren: Das DOC ist eine große Chance für unsere Stadt!, fand er die gleichen Worte wie Meinecke. Dessen Aufforderung an Wieland Gühne (der später beim Grundsatzbeschluss mit Nein stimmte): Es wäre nett, wenn Das DOC nicht so kaputt reden würden! Meinecke warf Gühne ("Der Gegenwind aus der Bevölkerung nimmt zu!") Schwarzmalerei vor. Es sei doch klar, dass der Bebauungsplan zu dem Sportstätten am Hakenberg und deren Finanzierung stehen muss, bevor wir den Bebauungsplan zum DOC beschließen! Im Übrigen sei er überzeugt davon, dass wir mit dem Geld auskommen werden! Auch Jochen Siegfried ging auf Wieland Gühne ein: Wenn unsere Großväter so agiert hätte wie heute die W.i.R., dann wäre Remscheid noch auf Dorfgröße! Ja, wir wollen das DOC, und heute ist ein großer Tag für diese Stadt! Wieland Gühne wandte ein, wenn die Grundsatzentscheidung gefallen sei, könnten die Bürger nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie eines DOC entscheiden. Die Anwohner sind bei diesem Projekt die Verlierer. Und bei Bauleitplanverfahren kommen die Anregungen und Bedenken der Bürger in den wenigsten Fällen zum Zuge!
Zu den Bildern: Oben: Vor dem Großen Sitzungssaal des Rathauses konnte gestern Abend ein Modell des neuen Outlet-Centers besichtigt werden. Links: Im Saal nannten Reinhold Kroh und Andreas Schiller vom Architektenbüro Kroh & Partner aus Linz, Österreich, Einzelheiten der DOC-Planung. Unten: Bei der Einwohnerfragestunde von li. n. re. die erklärten DOC-Gegner Brigitte Kieslich, Ursel Schwinghammer, Dr. Susanne Jakobeit, Bettina Stamm, Manfred Peter und Ulrike Kern. (Fotos: Lothar Kaiser) |
Zum Verhältnis von Gutachtern und Kommunalpolitkern äußerten
sich Wolf Lüttinger und Dr. Heinz Dieter Rohrweck (CDU). Dieser stellte fest,
Kommunalpolitiker seien keine Sachverständige und auf die Darlegungen von
Fachleuten angewiesen. Und Lüttinger betonte, es gebe keine Zweifel an der
Objektivität der Gutachter. Der Beschluss über den Kaufvertrag basiere auf umfassenden
Unterlagen. Seine Fraktion verspreche sich im Übrigen von dem DOC eine
Förderung des Tourismus in der Region. Der Kaufvertrag sei ein Meilenstein auf
diesem Weg.
Auf das teilweise aus fünf Ebenen bestehenden Parkhaus auf dem heutigen Schützenplatz ging in seinem Kurzvortrag der Architekt des DOC ein, Reinhold Kroh vom Architektenbüro Kroh & Partner aus der österreichischen Stadt Linz. Umgeben von Bäumen, lasse sich der Bau durch diverse Gestaltungsmöglichkeiten in das Gelände einfügen, ohne störend zu wirken. Und zum DOC-Haupteingang an der Ecke Ring-/Wupperstraße: Die rückwärtige Fassade zur Straße hin werde die Visitenkarte des DOC sein. Hier dürfen wir uns keine optische Blöße geben! - Beim Presseclub am Dienstag in der Denkerschmette hatte sich Klaus Kreutzer, Vorsitzende des Lenneper Verkehrs- und Fördervereins, zu bedenken gegeben: Ich wünsche mir keinen eingemauerten Gewerbehof, der um 22 Uhr die Schotten dicht macht! Mit Erleichterung wurde daher gestern auch von den Kommunalpolitikern aus Lennep die Aussage des Architekten aufgenommen, die neue Mall werde nachts nicht zugeschlossen: Sie bleibt auch nach 22 Uhr offen, wird aber durch Security-Leute und per Video rund um die Uhr überwacht! Auch machte Kroh den Kommunalpolitikern und Bürgern Mut, das Ganze positiv zu sehen.