Bürgergeld bringt Jobcenter in Not lautete am 31. Oktober eine Überschrift im Wirtschaftsteil der F.A.Z. vom 31.10.2022. Schon heute ächze das Personal unter Zusatzaufgaben. Für die Remscheider CDU-Fraktion der Anlass zu einer Anfrage an die Verwaltung zur neuen Lage im Remscheider Jobcenter. Die Antworten liegen inzwischen zur Sitzung des Sozialausschusses am 11. Januar vor.
Frage: Wie wird die Verwaltungsspitze der Stadt Remscheid das Remscheider Jobcenter bei Einführung des neuen Bürgergeldes ab 1. Januar 2023 unterstützen, so dass die Beantragung des neuen Bürgergeldes nicht zu einem totalen Chaos führt und die Mitarbeiter des Jobcenters Remscheid nicht überfordert werden?
Antwort: Der Bundestag hat den Gesetzesbeschluss am 25.11.2022 gefasst. Damit ist es möglich, die Regelsatzerhöhung zum1.1.2023 über die EDV - Systeme zahlbar zu machen. Wegen der knappen Vorbereitungszeit kann es u. U. vorkommen, dass auch nach der Einführung des Bürgergeldes Kundinnen und Kunden Dokumente erhalten, die noch keinen Hinweis darauf enthalten. Mitunter kann es auch sein, dass noch Schreiben und Bescheide versandt werden, in denen die Begriffe Arbeitslosengeld II und Sozialgeld verwendet werden. Es wird einige Zeit in Anspruch nehmen, bis alle Anträge, Bescheide und Schreiben sprachlich/redaktionell auf das Bürgergeld umgestellt worden sind. Die Belastungssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist aktuell sehr hoch, gleichwohl ist nicht zu erwarten, dass die Einführung des Bürgergeldes zum 1.1.2023 zu einem Chaos führen wird. Die Agentur für Arbeit, die Stadt Remscheid und das Jobcenter Remscheid sind in einem regelmäßigen Austausch, um rechtzeitig auf sich ändernde Situationen eingehen zu können.
Frage: Die vollumfängliche Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 ist aus unserer Sicht zeitlich völlig unrealistisch, so die Warnung der Gewerkschaft Arbeit und Soziales (VBBA) im Beamtenbund. Wie schätzen Verwaltungsspitze und Jobcenter-Leitung dies in Remscheid ein?
Antwort: Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Geschäftsführungen der Jobcenter und das Bundesarbeitsministerium tauschen sich fachlich aus, z.B. im Rahmen des Tages der Jobcenter. Auf diesen Veranstaltungen werden auch Gesetzesvorhaben und deren Umsetzbarkeit diskutiert. Jobcentergeschäftsführungen und BA haben dringend dafür plädiert, das Gesetz nicht vollumfänglich zum 1.1.2023 in Kraft zu setzen. Der Gesetzgeber hat inzwischen beschlossen, Änderungen, die einer gründlichen Vorbereitung bedürfen, zum 1.7.2023 in Kraft treten zu lassen (Weiterbildungsgeld, Kooperationsplan, Schlichtungsverfahren). Die Verwaltung begrüßt die gesetzgeberische Entscheidung, das Bürgergeld mit seinen Leistungen und Änderungen, wie vorab dargestellt, stufenweise einzuführen.
Frage: Auch Vertreter der Kommunen, die neben der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Grundsicherung verantworten, warnen laut F.A.Z: Die Jobcenter brauchen zusätzliche Mittel, denn mit dem Bürgergeld werden ihre Aufgaben erneut ausgeweitet, so Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags und Landrat im Kreis Ostholstein. Sind Leitung des Jobcenters und Verwaltungsspitze der Ansicht, dass die bisherigen Kapazitäten und Abläufe nicht mit den durch die Einführung des Bürgergelds steigenden Anforderungen an das Remscheider Jobcenter zusammenpassen?
Antwort: Die Erwartungshaltung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters sind hoch. Es ist nicht nur das Regelgeschäft zu bewältigen, sondern es kommen oft besondere Herausforderungen hinzu, z.B. die schutzsuchenden Menschen aus der Ukraine, die schnell Hilfe erhalten mussten. Dies belastet natürlich die Abläufe und der Arbeitsdruck, besonders auch in der Leistungsabteilung, ist hoch. Für 2023 könnte ein Risikofaktor die Erhöhung des Wohngeldes mit einem prognostizierten Antragsanstieg um das Dreifache werden. Falls es dazu kommen sollte, dass nur ein Teil der Antragstellenden Ansprüche beim Jobcenter geltend macht, weil über das Wohngeld nicht zeitnah entschieden werden kann, würde das in der Tat temporär zu einem Problem werden können. Das könnte unter anderem dazu führen, dass sich Bearbeitungszeiten für die Hilfen zum Lebensunterhalt verlängern. Auf Grund der Einführung des Wohngeld-Plus-Gesetzes erfolgte städtischerseits eine deutliche Ausweitung der Stellen im Wohngeldbereich. Auswahlgespräche haben bereits stattgefunden und sukzessive, ggf. unter Einhaltung von Kündigungsfristen bei bisherigen Arbeitgebern, werden die Stellen nun besetzt. Eine ausreichende Einarbeitung ist dann noch erforderlich, um auch die für die Wohngeldstelle sehr herausfordernde gesetzliche Aufgabe umsetzen zu können. Der Fachdienst 2.50 Soziales und Wohnen und das Jobcenter tauschen sich regelmäßig aus.
Inwieweit die Einführung des Bürgergeldes dazu führt, dass die beschlossenen Personalkapazitäten im Jobcenter nicht ausreichen werden, um die Anforderungen zu erfüllen, ist anhand künftiger Erfahrungen zum Bürgergeld zu bewerten. Die Träger des Jobcenters entscheiden über die Personalkapazität im Jobcenter und berücksichtigen dabei die berechtigten Interessen und Belange der Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Frage: Die BA plädiert für die Einführung des Bürgergelds zum 1.7.2023. Wie sehen dies Verwaltungsspitze und Leitung des Jobcenters in Remscheid? (Dies bezieht sich nicht auf die geplante Erhöhung der Geldleistungen um zwölf Prozent, sondern auf aufwendige Bausteine wie etwa die neue Weiterbildungsförderung für Arbeitslose)
Antwort: Die Auffassung der Bundesagentur für Arbeit wird von der Leitung des Jobcenters und von der Verwaltung geteilt. Der Gesetzgeber hat inzwischen beschlossen, Änderungen, die einer guten Vorbereitung bedürfen, zum 1.7.2023 in Kraft treten zu lassen (siehe auch Ausführungen zu Frage 2).
Frage: Wird das Umprogrammieren der Bearbeitungssoftware rechtzeitig abgeschlossen sein, damit der geplante Start des Bürgergelds zum 1.1.2023 kein Holperstart wird?
Antwort: Ja, die Umstellungsarbeiten werden rechtzeitig abgeschlossen sein, so dass zum 1.1.2023 der höhere Regelsatz automatisch ausgezahlt wird.
Frage: Zwar ist die Gesamtzahl der Hartz-IV-Bezieher laut F.A.Z. noch immer etwas niedriger als 2016. Aber der Anteil der Ausländer an der Gesamtzahl habe sich von 25 auf nun 45 Prozent erhöht. Wie sind die entsprechenden Zahlen für Remscheid?
Antwort: Durch die vergleichsweise hohe Anzahl von Zuflucht suchender Menschen aus Kriegsgebieten hat sich der Anteil der Personen, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen und Leistungen nach dem SGB II beziehen, im Verlauf der letzten Jahre erhöht (Bedarfsgemeinschaften 2016: 12.204, 2021 10.971, Juli 2022 11.144; davon Ausländer 2016 4017, 2021 4705 und Juli 2022 5265 gleich 32,9 Prozent, 42,9 Prozent bzw. 47,2 Prozent.
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 2016: 8.372, 2021: 7.257, Juli 2022: 7.340; davon Ausländer 2016 2.978, 2021 3.134, Juli 2022 3.505 gleich 35,6 Prozent, 43,2 Prozent bzw. 47,8 Prozent.
Frage: Was ist nach Ansicht von Verwaltungsspitze und Leitung des Jobcenters vonnöten, damit das Remscheider Jobcenter die anstehenden Mammutaufgaben bewältigen kann?
Antwort: Nur mit gut ausgebildetem Personal in ausreichender Anzahl können die Anforderungen bei der Bearbeitung im Bereich der Leistungen zum Lebensunterhalt erfüllt werden. Die schnelle und korrekte Bearbeitung der Leistungen zum Lebensunterhalt bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Integrationsprozess. Je enger die Betreuung von Zielgruppen organisiert werden kann, desto besser sind auch die Ergebnisse bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist durch die Betreuungsschlüssel und das vorhandene Verwaltungskostenbudget begrenzt. Die Geschäftsführung des Jobcenters plädiert dafür, dass der Bund das Verwaltungskostenbudget für die Jobcenter ausreichend dimensioniert.
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Aktuelle Frage des Waterbölles: Wie läuft es im Remscheider Jobcenter seit dem 2.1.2023?