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Von der Kleinschmiede zur bergischen Werkzeugindustrie (I)

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Teil I

Das Sensenhandwerk war schon weit vor 1700 im Niedergang begriffen. Das Jahr 1658 mit dem unheilvollen Beschluss des Cronenberger Handwerksgerichts, die Sensenhämmer zu zerstören, bedeutete die Schicksalswende. Alle anderen Unstimmigkeiten im Handwerksbetrieb fielen wenig ins Gewicht gegenüber jenem törichten Bestreben, durch Zwangsbestimmungen das Rad der Zeit hemmen und die Bahn des Fortschritts sperren zu wollen. Und doch hat die Sensenbruderschaft trotz aller Irrtümer Großes geleistet. Sie gewöhnte ihre Mitglieder, den Blick über den kleinen Kreis der eigenen Interessen hinaus aufs Ganze zu richten. Sie erzog einen Nachwuchs von tüchtigen Meistern und sicherte ihren Mitgliedern die Früchte ihres Fleißes durch Regelung des Zeichenwesens. Auch zur Förderung des Innen- und Außenhandels hat sie wesentlich beigetragen. Als sich das Sensenhandwerk um die Mitte des 18. Jahrhunderts anschickte, anderen Gewerbezweigen das Feld zu räumen, hinterließ es diesen seine Errungenschaften als wertvolles Erbe. Ja, man darf behaupten, dass die Sensenzunft, indem sie neben ihren Haupterzeugnissen gelegentlich, wie es die Zeit und die Wechselfälle des Absatzes erforderten, noch die sogenannten Stabwaren verfertigte, den Fortbestand Bergischer Gewerbetätigkeit gesichert hat.

Die vielseitige Kleinschmiedekunst, die nach 1700 mehr und mehr das Sensenhandwerk ablöste, entstand nicht sprunghaft, sondern hatte ihre Wurzeln in zahlreichen Werkstätten, die auf den einsamen, waldumgebenen Bauernhöfen neben den Sensenschmieden seit langem bestanden. Wir wissen, dass schon in der Frühzeit des 17. Jahrhunderts, zur Blütezeit des Sensenhandwerks, in den Kirchspielen Remscheid, Cronenberg und Lüttringhausen Hepen, Beile, Äxte, Hämmer, Schuppen, Hacken, wahrscheinlich auch Feilen, Sägen und andere Zimmermannsgerätschaften, sowie Hobeleisen und Schlittschuhe gefertigt wurden. Als dann um die Wende des 17. Jahrhunderts der Niedergang des alten Gewerbes immer deutlicher in Erscheinung trat und die Bestellungen auf Sensen, Sichten und Häckselmesser immer mehr nachließen, sah man sich genötigt, die Herstellung von Werkzeugen der verschiedensten Handwerker in immer stärkerem Maße aufzu­nehmen.

Die Remscheider Kaufleute behaupteten später zur Begründung ihrer Forderung des freien Schleifens, dass sie die meisten dieser Artikel von ihren Reisen mitgebracht und in die Fabrikation eingeführt hätten, was allerdings von den Schleifern und Kleinschmieden bestritten wurde. Wahrscheinlich haben beide zum Teil Recht. Die Muster der einfachen, im Bergischen gebräuchlichen Werkzeuge, wie Schuppen, Beile und Hacken usw. brauchten sicher nicht aus fremden Ländern herbeigeholt zu werden. Dagegen dürften die in anderen Gegenden Deutschlands und im Auslande begehrten Sachen vielfach von den Kaufleuten mitgebracht und Hand in Hand mit den Schmieden eingebürgert worden sein. Vermutlich haben aber auch die reisenden Sensenschmiede, die sogenannten Kirmesgänger, mit manchen dieser neuen Werkzeuge, die auf fernen Märkten angeboten und gern gekauft wurden, den Kreis der im Bergischen produzierten Waren erweitert. Alle diese ursprünglich freien Waren suchten die zünftigen Schleifer nach und nach in ihre Hand zu bekommen, um den durch den Rückgang des Sensenhandwerks entstandenen Ausfall wettzumachen. Ihre Arbeit gestaltete sich damit immer schwieriger. Hunderte der verschiedensten Werkzeuge wurden nach und nach eingeführt, und die an das verhältnismäßig einfache Schleifen der Sensen und Strohmesser gewöhnten Leute kamen aus dem Lernen gar nicht heraus. Im Vergleich zu der Solinger Klingen- und Messerindustrie verlangte die Remscheider, Gronenberger und Lüttringhauser Werkzeugfabrikation von ihren Schleifern eine besondere Geschicklichkeit und Vielseitigkeit.

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