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Kommunen müssen helfen, wenn Bund und Land versagen

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Unter der Überschrift „Soziale Härten sollen weiter abgefedert werden“ berichtete der Waterbölles am Mittwoch über den Antrag von SPD, Grünen und FDP, die Verwaltung möge einen Härtefallfonds einrichten, „um denjenigen Haushalten zur Seite zu stehen, die angesichts der explodierenden Energiepreise drohen, in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten“. die Verwaltung möge prüfen und ggf. Gespräche mit möglichen Trägern aufnehmen, ob sich die Kapazitäten der Energieberatung in Remscheid dauerhaft steigern ließen. Der letzte Absatz dieses Antrags hat Appell-Charakter: „Wir sollten uns darüber einig sein, dass gerade die wirtschaftlich Schwächsten in dieser Krise unsere Unterstützung brauchen. Unsere Stadt, unsere Wirtschaft, alle Bürgerinnen und Bürger, wir alle sitzen in einem Boot. Nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung werden wir die Folgen der drohenden Energie-Mangellage abwenden können. Die schon häufig zitierten Worte „Wir schaffen das“ waren noch nie so notwenige Mutmacher wie zurzeit." Dass dieser Antrag einstimmig angenommen wurde, unterstreicht den Ernst der Lage.

Weil die Erdgaslieferanten die Preise für die meisten Endabnehmer zum 1. August erhöht haben, drängt die Zeit, wie Bettina Stamm (echt Remscheid) betonte. Sofortige Hilfen seien erforderlich. Oberbürgermeister Burkhard-Mast-Weisz hatte das in dieser Woche bereits in einer Sitzung des Städtetages Nordrhein-Westfalen gefordert. Wenn es keine weiteren zusätzlichen staatlichen Hilfen aus Berlin oder Düsseldorf gebe, dürften die Kommunen ihre betroffenen Bürgerinnen und Bürger nicht hilflos im Regen stehen lassen. Im Kreis der Staatsoberhäupter hatte er damit nicht nur Zustimmung erfahren, im Hauptausschuss dagegen gestern Abend ein einhelliges „Ja, genauso!“

In der Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der CDU, über die der Waterbölles am Montag berichtete, war der Standpunkt des Verwaltungsvorstandes, den er in seiner gestrigen Sitzung noch einmal verstärkte, bereits deutlich geworden. Zitat: „Bürgerschaft, Politik und Verwaltung müssen gemeinsam verträgliche Lösungen finden! (…) Sorge machen insbesondere die Haushalte, deren Einkommen heute bereits nur knapp über den Einkommensgrenzen für Wohngeld oder anderer Transferleistungen liegt. Die Betroffenen erleben, dass ihre Lebenshaltungskosten dramatisch ansteigen. Neben den sich verdoppelten Energiekosten sind es die täglichen Lebenshaltungskosten, die steigende Inflation, die Kraftstoffkosten usw., die die Haushalte sehr in Bedrängnis bringen.“ Darauf hat der Oberbürgermeister auch die Mitgesellschafter Thüga und Westenergie der Stadtwerke-Tochter ewr hingewiesen. Denn mit dem Vorschlag der Verwaltung an den Rat der Stadt, den Gewinn der Stadtwerke aus 2021 in Höhe von 1.221.000 € „Fonds“ für betroffene Haushalte vorzuhalten, könne es nicht getan sein. Da stehe es den Mitgesellschaftern der Stadtwerke, die in den vergangenen Jahren auch in Remscheid gute Gewinne gemacht hätten, gut zu Gesicht, sich mit eigenem Geld an dem neuen Fonds zu beteiligen. Schon in der kommenden Woche will Stadtkämmerer Sven Wiertz bei der Kommunalaufsicht in Düsseldorf den Hilfeplan der Stadt Remscheid rechtlich prüfen lassen, um dann „zügig ein unkompliziertes Hilfsverfahren zu entwickeln!“ Zweitgleich will die Sozialverwaltung berechnen, wie viele Haushalte mit welcher Summe zu unterstützen wären.

Zu Beginn der Debatte hatte der Oberbürgermeister auf andere Belastungen der Bürgerschaft hingewiesen: die Flutkatastrophe im Juli 2021, die Inflationsrate von mehr als sieben Prozent und den Ukrainekrieg mit mehr als 900 Menschen, die nach Remscheid geflüchtet seien. „Und nun die Energiekrise. Unter ihr werden alle leiden: die Wirtschaft, die öffentliche Hand und vor allem die Privathaushalte. Bei einer weiteren Eskalation stehen Arbeitsplätze insbesondere in energieintensiven Unternehmen auf der Kippe. Viele Menschen werden sich die Energiekosten nicht mehr leisten können. Politik und Verwaltung muss den Menschen zeigen, dass wir uns nicht nur der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst sind, sondern über Parteigrenzen hinweg gemeinsam überlegen, wie wir helfen können. Von der heutigen Sitzung , muss das Signal ausgehen, dass auch wir hier vor Ort unsere Verantwortung wahrnehmen!“

Und da war niemand, der Burkhard Mast-Weisz widersprochen hätte. Zustimmung kam von David Schichel (Grüne), Alexander Schmidt (CDU), Waltraud Bodenstedt (W.i.R.), Sven Chudzinski (FDP), Brigitte Neff-Wetzel (Linke) – und Sven Wolf. Der SPD-Landtagsabgeordnete verwies auf die rasant steigenden Preise für Energie oder Lebensmittel, „aktuell die größte Bewährungsprobe für unseren Staat und unsere Gesellschaft“. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, „dass wir Krisen nur solidarisch und gemeinsam bestehen können. Diesen Beweis müssen wir nun von Neuem erbringen. (…) Putin will unsere demokratische und freie Gesellschaft auf eine Bewährungsprobe stellen. Er will uns spalten, um uns zu schwächen. Er irrt. Wir werden uns weder spalten noch schwächen lassen!“

Zwar habe der Bund hat bereits verschiedene Hilfsmaßnahmen für einen teilweisen Ausgleich von Preissteigerungen auf den Weg gebracht. Der neue, höhere Mindestlohn ab Oktober solle unter anderem für fairere Löhne und gerechtere Bezahlung sorgen. „Aber leider verpuffen viele dieser Maßnahmen in der aktuellen Entwicklung. Sie kommen auch nicht bei allen Haushalten an. Rentnerinnen und Rentner oder junge Menschen in Studium oder schulischer Ausbildung, die BAföG bekommen, gehen leer aus. Da muss von Bund und Ländern schnell nachgesteuert werden.“ Als mehr als ärgerlich bezeichnete es Sven Wolf, „dass die Preissteigerungen bekannt sind, aber nicht klar ist, welche weiteren Entlastungen kommen werden. Das ist ein unerklärbares Desaster in der öffentlichen Kommunikation. Hier muss schnell gehandelt werden!“

„Die Menschen erwarten von uns, die wir in Verantwortung stehen, dass wir Antworten auf ihre verständlichen Sorgen und Ängste geben. Wenn es uns nicht gelingt, diese zu finden, dann versagen wir alle. (…) Lassen Sie uns jetzt gemeinsam rasch nach Ideen, Lösungen und konkreten Maßnahmen suchen. (…) Oberbürgermeister und Verwaltung ducken sich nicht weg. Auch gegen Bedenken in den kommunalen Spitzenverbänden ist in Remscheid längst klar, dass wir uns vorbereiten müssen, um eine eigene Unterstützung für Remscheiderinnen und Remscheider zu planen, wenn Bund und Land an dieser Stelle nicht vorankommen sollten. Der Vorschlag, das Stadtwerke-Ergebnis von 1,2 Mio. Euro aus 2021 dafür heranzuziehen, ist richtig. (…) Wenn Remscheid es schafft, hier einen Hilfsfonds aufzubauen, müsste es NRW und dem Bund ebenfalls mit Leichtigkeit gelingen, diesen Schritt zu gehen. Auch dazu dient dieser Schritt: Wir machen Druck! Und wir zeigen Geschlossenheit und stellen uns jenen entgegen, die spalten und unsere Gesellschaft schwächen wollen!“


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