Aus: Bergische Wegbahner. Persönlichkeiten und Geschlechter aus Remscheid, Lennep und Lüttringhausen. |
von Gustav Hermann Halbach
Teil 3
Unweit des Reinhard Mannesmannschen Wohnsitzes zu Remscheid-Menninghausen stand mein Geburtshaus. Darum habe ich die gesamte volksverbundene Familie Mannesmann noch lebhaft in meiner Erinnerung: das alte ehrwürdige bergisch-biedere Ehepaar Reinhard mit seinen prächtigen forschen Söhnen und schlichten, einfachen Töchtern. Es war eigentümlich, wie mich als Kind schon der Brüder Wesen beeindruckte, wenn sie des Wegs dahergeschritten kamen. Das war Beweglich- und Vielseitigkeit, Lebensbejahung, Selbstsicherheit, Wagemut und entschlossene Tatkraft. Ihr Blick kündete rastlosen Geisteshöhenflug, Stürmen und Drängen und Gipfelmenschentum. Auch gedenke ich noch des Leichenzuges von Vater Reinhard, der am 27. April 1894 verstarb und unter gewaltiger Beteiligung aus allen Bevölkerungsschichten höchst ehrenvoll auf dem alten hochgelegenen Stadtfriedhof beerdigt wurde.
Der alte Reinhard Mannesmann hatte einige vertraute Freunde, die er geschäftlich jährlich besuchte, so Werner von Siemens, Heckmann zu Berlin, Henschel zu Kassel, Hermann Gruson zu Magdeburg-Buckau u. a. Sonst leitete er sein Werk, und die Söhne reisten. Beliefert wurden die Eisenbahnen, die staatlichen Werkstätten und die deutsche Flotte. Der Marineminister von Stosch verfügte einmal, dass in Anlaufhäfen deutscher Schiffe, die dort ihre Bestände ersetzten, die ansässigen Geschäfte anzuweisen seien, Segeltuch von Delius und Feilen von A. Mannesmann wegen ihrer vorzüglichen Bewährung auf Lager zu halten.
Allen seinen Söhnen gab der alte Reinhard Mannesmann gediegene fachliche und Hochschulbildung. Daheim im Bliedinghauser Werk mussten sie die Feilenherstellung von Grund auf bis zum Feilenhauen erlernen. Max konnte am besten Feilen hauen und Feilenhaubeitel schleifen. Aus dieser Kenntnis heraus ersann und erbaute er 1880 erfolgreich seine erste Feilenhaumaschine für schwere Sorten. Reinhard d. J. legte 1873 auf dem Gymnasium zu Düsseldorf die Reifeprüfung ab. 1874 studierte er Maschinenbau und Chemie auf dem Polytechnikum zu Hannover, sodann auf der Gewerbeakademie und Bergakademie und Universität Berlin Maschinen- und Hüttenwesen und Bergfach. 1877 machte er als 21 jähriger die berg- und hüttenmännische Prüfung auf der Bergakademie über die Aufgabe: Verhalten des freien Kohlenstoffs zu freiem Eisen bei steigenden Temperaturen". Diese Arbeit wurde in der Zeitschrift für Gewerbefleiß abgedruckt. Reinhard Mannesmanns Untersuchungen entschieden die Frage, ob die Wanderung des Kohlenstoffs im Eisen durch Gaskohlung oder die Molekularwanderung erfolge, zugunsten der Molekularwanderung. Seitdem ist die Frage nie wieder wissenschaftlich bestritten worden. In dieser Arbeit wurde zum ersten Mal nachgewiesen, dass man jeden gewünschten Kohlenstoffgehalt auf jede gewünschte Tiefe ins Eisen hineinführen kann. Durch diese Erkenntnis wurde die Grundlage zu der Herstellung der außen glasharten und innen weichen Panzerplatten ermöglicht. Der umfangreiche Beweisstoff verblieb in der Ausstellung der Bergakademie Berlin, und diese Prüfungsarbeit wurde bis zum Tode des Geheimrats Wedding in dessen Vorlesungen als Musterarbeit regelmäßig erwähnt. Wie sein nicht minder begabter Bruder Max reichte Reinhard schon als Student sein erstes Patent ein. Die Fortpflanzung des Drucks in glühendem Eisen war für Reinhard Mannesmann d. J. und seinen jüngeren Bruder Max der Gegenstand langjähriger wissenschaftlicher Forschungen und Untersuchungen.
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