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33,3 % mehr Grundsteuer B = 194 € /Jahr für ein Einfamilienhaus

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„Die Gewerbesteuer wird nicht in erwarteter Höhe fließen“, titelte gestern der Waterbölles und zitierte aus einer Mitteilungsvorlage der Verwaltung zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am kommenden Donnerstag. Was das für die Stadt und alle Bürger bedeutet, legten heute Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz und Stadtkämmerer Sven Wiertz zunächst den Vertretern der Ratsfraktionen und –gruppen dar. Sodann wurden die Industrie- und Handelskammer, der Bund der Steuerzahler, den Mieterverein und der Haus- und Grundbesitzerverein informiert sowie die lokale Presse: Zum 1. Januar 2015 soll die Grundsteuer B um 200 Hebesatzpunkte auf künftig 800 v.H. angehoben werden. So der Vorschlag der Verwaltung nach der viereinhalbstündigen Klausursitzung, an der am Samstag neben OB Mast-Weisz, Stadtdirektor Dr. Christian Henkelmann und Stadtkämmerer Sven Wiertz auch die neuen Dezernenten Barbara Reul-Nocke und Thomas Neuhaus teilnahmen sowie 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Finanzbereichen der Kernverwaltung und der Technischen Betriebe Remscheid (TBR) sowie dem Personalrat. Weil der Doppelhaushalt der Bezirksregierung am 1. Dezember zur Genehmigung vorliegen muss, steht die vorgeschlagene Steuererhöhung schon m Donnerstag als Nachtrag auf der Sitzung der Haupt- und Finanzausschusses, damit in der Ratssitzung am 27. November darüber endgültig zu entschieden werden kann. Die letzte Erhöhung der Grundsteuer liegt noch nicht lange zurück: Zum 1. Januar 2013 war sie 500 v. H. auf 600 v. H. erhöht worden (unterBürgerprotest im Beschwerdeausschuss).

Der städtische Haushaltssanierungsplan und die gesetzlichen Vorgaben des Stärkungspakts mit dem Land verlangen, dass der Doppelhaushalt 2015/2016 genehmigungsfähig ist. Sonst gibt es kein Geld vom Land. Stattdessen käme ein „Sparkommissar“, der den Stadtoberen das Heft des Handelns aus der Hand nähme (wie etwa in der Stadt Nideggen, Regierungsbezirk Köln, und der Stadt Altena, Regierungsbezirk Amsberg).  Burkhard Mast-Weisz: „Das darf nicht passieren! Ein Kommissar ist für mich eine nicht vorstellbare Größe!“ Folglich standen die Teilnehmer der Klausursitzung vor der Herausforderung, den Ergebnisplan 2016 trotz errechneter Mindererträge und Mehrausgaben auszugleichen, damit die gesetzlichen Vorgaben des Stärkungspaktes erfüllt werden. Und aus Verantwortung für Remscheid. Das Ziel weiterhin: Der Haushaltsausgleich 2016 („Mit einem kleinen Millionenbetrag im Plus“, so Mast -Weisz) und der Schuldenabbau, um Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen und um Wirtschaft und Bildung zu fördern.

Deshalb also die Erhöhung der Grundsteuer. In der gestrigen Pressekonferenz nannte der Stadtkämmerer ähnliche Beschlüsse aus anderen Städten in NRW: Die Bundesstadt Bonn hat eine Anhebung der Grundsteuer von 530 v.H. um 300 Hebesatzpunkte auf 830 v.H. angekündet. Das entspricht einer Erhöhung um 56,7 Prozent, und die Gemeinde Bergneustadt - wie Remscheid eine Gemeinde im Stärkungspakt - hat sogar eine Erhöhung von 755 v.H. um 500 Hebesatzpunkte auf 1.255 v.H. angekündigt. Das entspricht einer Erhöhung um 66,3 Prozent. Die für Remscheid geplante Erhöhung um 33,3 Prozent bedeutet für den / die Besitzer einer durchschnittliche Eigentumswohnung eine Mehrbelastung von ca. neun Euro monatlich, für ein durchschnittliches Einfamilienhaus eine Mehrbelastung von 17 Euro monatlich. Insgesamt erwartet die Stadt dadurch einen jährlichen Mehrertrag von 7,4 Millionen Euro. Mast-Weisz: „Wir machen das ausgesprochen ungern. Und auch nach dieser Steuererhöhung bleiben noch Risiken. Denn die Steuererhöhung ist nicht so komfortabel, dass wir uns jetzt zurücklehnen könnten!“

Sollte der Rat der Stadt der Erhöhung der Grundsteuer B zustimmen – und davon ist auszugehen – bewahrt sich die Stadt ihre kommunalpolitische Entscheidungshoheit und ihre Investitionsmöglichkeiten. Der OB will sie „zielgerichtet nutzen, um die Attraktivität der Stadt zu erhöhen“. Und um zu verhindern, dass wichtige soziale Dienste eingestellt werden müssten, zum Beispiel die Schulsozialarbeit. Ohne städtische Mehreinnahmen müsste sie zum Jahresende eingestellt werden. Zehn Mitarbeiter/innen würden arbeitslos. „Weil Bund und Land uns hängen gelassen haben“, so Oberbürgermeister Mast-Weisz. Auch die Zuschüsse an die OGGS und die Jugendzentren sowie Regionale Struktur- und Wirtschaftsförderung wären in Gefahr. Und so manches andere, das der Verwaltungschef für das „Salz in der Suppe einer Großstadt“ hält, zum Beispiel Orchester und Theater.

Wäre der Bund, konkret: die Große Koalition aus CDU und SPD für die Kommunen ein verlässlicher Partner, könnte den Remscheidern eine höhere Grundsteuer B erspart bleiben. Doch das von der Großen Koalition in Berlin vereinbarte Bundesteilhabegesetz, das den Kommunen künftig bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderung unterstützen soll, kommt nicht, wie zuerst abgekündigt, 2016, sondern frühestens 2017, und auch dann nur aufbauend. Burkhard Mast-Weisz: „Das ärgert mich maßlos. Wir hätten das Geld jetzt dringend nötig!“ Von dem neuen Gesetz verspricht sich die Stadt eine jährliche Entlastung von sieben bis neun Millionen Mark. Zum Vergleich: Die Erhöhung der Grundsteuer B wird 7,4  Millionen in die Stadtkasse spülen. Nach Darstellung von Stadtkämmerer Wiertz gestern („am siebten Tag meiner achtjährigen Amtszeit“) bestimmen drei Entwicklungen die gegenwärtige Haushaltslage:

  • Der Rückgang der Gewerbesteuererträge
  • der Anstieg der Transferaufwendungen, insbesondere bei den gesetzlich geregelten Leistungen für Erwerbslose und Flüchtlinge
  • und der Anstieg der Personalaufwendungen.

Die Gewerbesteuer-Vorauszahlungen der Remscheider Unternehmen waren im diesem Jahr durchweg stabil, doch statt Nachzahlungen für das Vorjahr hagelte es eher Rückforderungen von zu viel gezahlter Steuer. Fest eingeplant waren in diesem Jahr Gesamteinnahmen von 76 Millionen. Gegenwärtig erwartet die Stadt lediglich 54,1 Millionen Euro, rund 21,9 Millionen Euro weniger als veranschlagt. Und wegen negativer Einschätzung der Konjunktur durch Creditreform und Deutsche Bundesbank hat die Stadt inzwischen den Ansatz für 2015 gegenüber der im Juli bereits um fünf Millionen Euro nach unten korrigierten Planung um weitere vier Millionen Euro auf 69,5 Millionen Euro reduziert. Ebenfalls nach unten musste für 2015 der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer korrigiert werden - um 800.000 Euro. Sven Wiertz: „Das gilt auch für die Folgejahre!“

Sinkenden Einnahmen stehen gestiegene Ausgaben gegenüber. Dazu gehören die Aufwendungen in für das Job-Center (Kosten der Unterkunft), für die Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften – mittlerweile rund 6.050 in der Stadt –, denn die erhalten ihre Finanzhilfe nicht von der Bundesanstalt für Arbeit, sondern über das Job-Center aus der Stadtkasse. Insgesamt sind das 11.000 Bürger dieser Stadt, also jeder zehnte Einwohner.

Eine weitere finanzielle Belastung ist der steigende Strom von Flüchtlingen. Für 2015 sind bereits weitere 300 angekündigt, für deren Lebensunterhalt und Krankenhilfe die Stadt im Wesentlichen aufkommen muss. Sven Wiertz: „Eine Übernahme der Krankenhilfe durch den Bund wäre sehr wünschenswert, in 2015 planen wir hier einen Aufwand von 750.000 Euro. Inwiefern die Härtefallregelung des Landes zur Entlastung führt, bleibt abzuwarten und kann nicht vorhergesagt werden.“

Gegengesteuert wurde bereits im April mit einer Haushaltssperre. Mit Stand von vorgestern konnten so 2.300.645 Euro eingespart werden- 2.000.645 Euro durch eine zehnprozentige Globalsperre und 300.000 Euro durch eine Pauschalsperre beim Gebäudemanagement. Zwar mussten Sperren mit in einem Volumen von 398.595 Euro aufgehoben werden; diese wurde aber durch Sperren bei anderen Konten ausgeglichen.

Zusätzlich gegensteuern durch weiteren Personalabbau? Oberbürgermeister Mast-Weisz winkt energisch ab: „Noch mehr Personal abbauen, das geht nicht. Wir wollen schließlich ein gutes Dienstleister bleiben; das wird ohnehin schon sehr eng!“ 2010 hatten Rat und Verwaltung für den Zeitraum bis 2020 einen Plan zum Abbau von 262 der bis dahin freiwerdenden 371 Stellen vereinbart. In den kommenden Monaten wird der Zentraldienst Personal und Organisation mit den Fach- und Zentraldiensten erörtern, wie der Stellenabbau im Zeitraum ab 2016 - der zweiten Phase - konkret umgesetzt werden kann. Weitere, rigorosere Maßnahmen verbietet eine Dienstvereinbarung, die Oberbürgermeisterin Beate Wilding mit dem Personalrat getroffen hatte; sie schließt betriebsbedingte Kündigungen aus.

Zusätzlich gegensteuern durch eine weitere Erhöhung der Gewerbesteuer (sie war zuletzt am 1.1.2013 von 460 v.H. auf 490 v.H. angehoben worden)? Das will der Oberbürgermeister der heimischen Wirtschaft nicht zumuten. Denn: „Die Wirtschaft ist unser Rückgrat“. Und die brauche ein „freundliches Klima“.


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