Vom Arbeitsmarkt her gesehen ist das Jahr 2013 für
Remscheid innerhalb des bergischen Städtedreiecks kein schlechtes, aber auch
kein überaus gutes Jahr gewesen, sagt Martin Klebe (Foto rechts), der Leiter der auch für
Remscheid zuständigen Arbeitsagentur WuppertalSolingen. Vor allem in der
zweiten Jahreshälfte habe sich der Markt leicht entspannt und verbessert. Das
zeigte sich dann auch an den Integrationsergebnissen des Remscheider Jobcenters.
Dessen Leiter Dirk Faust: Der leichte Rückgang der Arbeitslosenzahl zum Jahresende
bezog sich allerdings eher auf den Bereich der Arbeitslosenversicherung und
weniger auf den der Grundsicherung nach SGB
II. Der profitierte erst im Januar 2014! Dass es gelang, im vergangenen Jahr 1.668
Männern und Frauen eine feste Arbeitsstelle zu verschaffen, wertet Faust als
Erfolg, auch wenn es zehn weniger als 2012. Aber mehr als 200 Integrationen in
August und im September waren der absoluten Höchstwerte seit Bestehen des
Jobcenters. Als gut wertet er auch die Zahl der vermittelten Männer und Frauen
unter 25 Jahren (425). Das sei gelungen dank enger Zusammenarbeit mit der
Agentur für Arbeit und der Berufsberatung. Wir hoffen, dass sich das in diesem Jahr
fortsetzen werden. Das Projekt Beschäftigungspakt 50 plus habe das Jobcenter
im vergangenen Jahr mit dem Ziel gestartet, 78 ältere Arbeitnehmer in Lohn und
Brot zu bringen. Tatsächlich habe man bis zum Jahresende 112 Integrationen geschafft.
Dirk Faust dankte in diesem Zusammenhang insbesondere der Leitung des Altenheims "Haus am Park" für die Aufnahme neuer Mitarbeiter in
der Altenpflege und im hauswirtschaftlichen Bereich.
Wie Dirk Faust (Foto links) geht auch Sozialdezernent Burkhard Mast-Weisz für
dieses Jahr von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Remscheid aus,
getragen von einem starken Export. Gleichwohl sprach der Stadtdirektor auf der
Pressekonferenz, zu der er gestern gemeinsam mit Klebe und Faust ins Jobcenter
am Bahnhof eingeladen hatte, von einer dramatischen Entwicklung. Damit waren
die steigenden Energiekosten gemeint. Ein Plus von zehn Prozent im vergangenen
Jahr bedeutet, dass die Stadt bei monatlichen Heizkostenzuschüssen für SGB II-Empfänger
von 400.000 Euro aufs ganze Jahr gesehen mit Mehrausgaben von 480.000 Euro
rechnen muss. Mast-Weisz: Die Refinanzierung ist für uns als
Stärkungspakt-Stadt ein Riesenproblem. Wir müssen die Mehrausgaben dann an
anderer Stelle kompensieren. Zwar will der Bund laut Koalitionsvertrag die
Kommunen bei der Eingliederungshilfe finanziell entlasten hoffentlich aber
nicht erst am Ende der Wahlperiode!
Die städtischen Ausgaben für Unterkunft (nachSGB II) liegen
brutto bei 26 Millionen Euro im Jahr. Der Gesamthaushalt der Stadt Remscheid
liegt in der gleichen Brutto-Betrachtung bei 320 Millionen. Also machen die
Kosten der Unterkunft etwa acht Prozent des gesamten Haushaltes der Stadt aus.
Kein Wunder, dass die Unterkunftskosten für den amtierenden Stadtkämmerer auch
unter haushaltsrechtlichen Aspekten ein zentrales Thema sind. Erhebliche
finanzielle Auswirkungen hat für die Stadt auch der Anstieg der so genannten
Bedarfsgemeinschaften. 2012 waren es 5.747, im vergangenen Jahr 5.959 mit insgesamt
11.390 Personen. Eine Zunahme um 212! Und
die Stadt habe keine Möglichkeit, dem entgegenzusteuern, betonte Mast-Weisz: Der
Zugang ins System ist seitens der Jobcenter nicht steuerbar. Der Staat weitet
Anspruchskreise aus, im vergangenen Jahr durch eine Erhöhung des Regelsatzes um
acht Euro und in 2014 auf Euro! Mit weiteren Mehrausgaben muss die Stadt
dadurch rechnen, dass das Land NRW die Kommunen verpflichtet hat, einem SGB
II-Empfänger statt einer Wohnfläche von 45 Quadratmeter nunmehr 50 Quadratmeter
zuzugestehen. Das erhöht die Miet- und Nebenkosten weiter.
Die Stadt Remscheid und die Arbeitsagentur sind die Träger
des Jobcenters. Er sei froh, dass sich die Stadt damals zu dieser Zusammenarbeit
entschiedet und das Jobcenter nicht alleine gestartet hat, sagte Burkhard
Mast-Weisz (Foto rechts) gestern. Wir arbeiten gut und vertrauensvoll zusammen. Ich habe großen
Respekt vor den Leistungen des Jobcenter-Teams. Das ist nicht immer leicht, den
vielen Menschen mit ihren individuellen Bedarfen gerecht zu werden. Oberste
Aufgabe des Jobcenters: Menschen wieder in Arbeit bringen. Wo das nicht möglich
ist, müssen in einem zweiten Arbeitsmarkt genügend Beschäftigungsmöglichkeiten
gefunden werden. Mast-Weisz: Denn es ist allemal besser, Arbeit zu finanzieren
als Arbeitslosigkeit!
Sorge bereitet allen Beteiligten unverändert die Entwicklung
bei den Langzeitarbeitslosen. Dirk Faust: Und auch bei der
Jugendarbeitslosigkeit haben wir einen Anstieg, um den wir uns kümmern müssen!
Im Focus steht längst Übergang Jugendlicher von der Schule in den Beruf, steht
die Frage, wie mehr junge Leute zum Schulabschluss geführt werden können, um
spätere Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Motto: Kein Abschluss ohne Anschluss. In
diesem Zusammenhang weist eine Passage im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD,
die der Stadtdirektor gestern zitierte, einen neuen Weg: Flächendeckend
einzurichtende Jugendberufsagenturen sollen die Leistungen aus den
Sozialgesetzbüchern II (Hartz IV), III (Arbeitslosenversicherung) und VIII (Kinder-
und Jugendhilfegesetz) für unter 25-Jährige bündeln. Die Leistungen zusammenzufassen
und die Jugendlichen unmittelbar anzusprechen hält Burkhard Mast-Weisz für eine
bestechende Idee, ein spannendes Thema für alle Träger der Jugendsozialarbeit
in dieser Stadt. Schließlich habe auch die heimische Wirtschaft ein großes
Interesse daran, gut ausgebildete junge Menschen zu gewinnen. Die Jugendberufsagentur
sei zwar keine ganz neue, aber eine gute Idee, meint Dirk Faust. Schön, wenn
wir jetzt, angeschoben vom Koalitionsvertrag, in diese Richtung gehen können!
Unterm Strich betreut das Jobcenter in diesem Monat mit 5.328
Langzeitarbeitslosen (die innerhalb 24 Monaten mindestens 21 Monate lang Leistungen
des Jobcenters bezogen haben), 17 mehr als im Vormonat. Faust: Es gefällt mir
nicht, dass wir diese Zahl nicht verringern konnten! In einem internen
Vergleich aller Jobcenter in Deutschland befindet sich das Remscheider Center
in einem Cluster vorwiegend städtisch geprägter Gebiete in Westdeutschland mit
unterdurchschnittlicher Arbeitsmarktlage und hohem Anteil an
Langzeitarbeitslosen oben auf der Skala erreichen Jobcenter eine
Integrationsquote von 30 Prozent, ganz unten nur 13,8 Prozent. Faust: Das
Bergische Land befindet sich im unteren Drittel, wobei Remscheid noch vor
Wuppertal und Solingen liegt! Schwierig ist auch die Integration
alleinerziehender Frauen in den ersten Arbeitsmarkt. Im vergangenen Jahr
unterstützt das Jobcenter insgesamt 1057 alleinerziehende Frauen, konnte aber
nur 151 vermitteln.
Alljährlich registriert das Remscheider Jobcenter rund
48.000 Vorsprachen, wie es im Amtsdeutsch heißt. Und weil von den insgesamt
150 Planstellen nicht alle besetzt sind acht Leute fehlen allein in der Leistungsabteilung!
(Faust) stehen insbesondere die Mitarbeiter an vorderster Front unter
erheblichen Druck: Wo ist mein Geld. Mein Kühlschrank ist leer, mein Kind hat
nichts mehr zu essen! Das Personal
rekrutiert sich aus Mitarbeitern beider Träger (Stadt und Agentur für Arbeit) Häufige
Fluktuation ist ein Dauerproblem. Burkhard Mast-Weisz: Wir versuchen, die freiwerdenden
Stellen möglichst schnell nachzubesetzen. Aber das ist nicht einfach, das ist
ein Riesenproblem! Weil es auf dem freien Arbeitsmarkt keine Fachleute gibt, die
sich im schwierigen Feld der Sozialgesetzgebung und ihres Beihilfe-Dschungels
auskennen. Und auch die Jobcenter in der Nachbarschaft suchen Kräfte, so der
Stadtdirektor. Wenn es uns dann gelingt, eine Stelle nachzubesetzen, muss die
neue Kraft erst einmal eingearbeitet werden. Denn das SGB II ist so
kompliziert, dass es eine Zeit dauert, bis man selbständig Vorgänge bearbeiten kann!
Ein Jahr lang plus X, wie Dirk Faust ergänzt. Eine ganz schwierige
Situation! Sie führt dazu, dass das Jobcenter Remscheid zurzeit mit mehr als
200 Kunden pro Mitarbeiter einen der höchsten Betreuungsschlüssel in
Nordrhein-Westfalen hat. Zum Vergleich: In Bayern liegt die Quote bei 1 zu 95.
Faust: Wir werden gezwungen sein, bei den Neueinstellungen im Niveau noch etwas
zurückzurudern!
Und das angesichts der Tatsache, dass in diesem Jahr in den
Jobcentern eine neue Software zur Bearbeitung von Anträgen auf Arbeitslosengeld
II eingeführt werden soll, in Remscheid voraussichtlich in der der zweiten
Jahreshälfte. Die erste Software hatte sich schon schnell als Flop erwiesen. An
der neuen wird bereits seit drei Jahren gearbeitet; gegenwärtig wird sie in
einigen Centern erprobt. Dirk Faust: Alle Leistungsdaten müssen mit
erheblichem Mehraufwand in die neue Software überführt werden. Wir Versprechen
uns natürlich, dass die neue Software wesentlich anwendungsfreundlicher sein wird!
Zur Sicherheitslage im
Jobcenter: Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter Remscheid haben
gemeinsam einen Sicherheitsdienst eingerichtet. Der neue Mitarbeiter hat Anfang
dieser Woche seinen Dienst aufgenommen und ist während der Öffnungszeiten präsent,
wird zwischen beiden Bereichen pendeln und ist für die Mitarbeiter des
Jobcenters und der Agentur für Arbeit jederzeit über Hany erreichbar, falls
nötig. Martin Klebe und Dirk Faust gestern unisono: Der Ansatz ist aber ganz
klar präventiv. Wir sind nicht an Eskalation interessiert! |